Noch reitet dieses unseres Land auf dem hohen Roß - der Glauben sitzt tief, Deutschland ist doch ein Musterschülervolk, in Ingenieurwesen, Erfindungsgabe und Wissenschaft uneinholbar führend in der Welt - die Vorsehung will es ja so. Man übersieht, daß dies vielleicht mal noch vor vierzig-fünfzig Jahren zutraf. Da paßt ein Schülertest des Programme for International Student Assessment (PISA) so gar nicht ins rechte BILD: Deutschlands Schüler sind im internationalen Vergleich einfach ein bissel doof.
Mich wundert das Ergebnis überhaupt nicht und es war ja nicht der erste Beleg dafür. Schon bei der im vergangenen Jahr veröffentlichten so genannten Timss/III-Studie (Third International Mathematics and Science Study), die mathematisches und naturwissenschaftliches Können von Schülern in 24 Ländern analysierte, landete Deutschland nur im hinteren Mittelfeld.
Und weil das in Deutschland immer so ist, gehen jetzt die Schuldzuweisungen los. Man redet von Verfälschung oder schiebt, weil nicht sein kann - was nicht sein darf, die Verantwortung den Lehrern, dem Ausländeranteil und dem Finanzminister zu. Für mich drängt sich da ein kleiner Vergleich zum Fußball auf. Das schlechte Abschneiden einer Mannschaft ist zu mindestens neunzig Prozent bei den Spielern und keineswegs beim Trainer zu suchen.
Fakt ist, daß auch unsere Lehrer eine Ausbildung genossen haben, irgendwann einmal Schüler und Studenten waren und dafür heute weltrekordverdächtige Gehälter ihrer Branche kassieren, das Bildungsdilemma der Universitäten eigentlich nur reproduzieren. Wir haben obendrein die meisten Studienabrecher und Langzeitstudenten der Welt. Einen nützlichen Effekt hat dies offensichtlich nicht.
Für mich liegt die Ursache des verdummenden Deutschland auf der Hand - es ist ein Problem der gesamten Gesellschaft und liegt in der Geschichte begründet. Fixpunkt war diese unsägliche geistig-moralische Wende im Jahre 1982. Dieser immer noch allgegenwärtige ewige Kanzler hat auch auf dem Gebiet der Bildung seine Schäden hinterlassen.
Bei dem alltäglichen Blick auf die damals ständigen Massendemonstrationen gegen ihn und seine Politik und ihren meist gebildeten Teilnehmern mit intelligenten Argumenten sollten nun andere Tugenden gefördert werden. Geistes- und Wirtschaftswissenschaftler, Banker, Yupies und Dummschwätzer waren gefragt. Was wollte man mit naturwissenschaftlich, mathematisch oder geschichtlich klugen Leuten - die ziehen in der Regel meist die richtigen Schlüsse und stellen dann peinliche Fragen.
Intelligenz war nicht gefragt - von nun an standen Geld, Aussehen, Herkunft, Regierungsloyalität und Beziehungen oben an. An den Schulen war ein neumodischer Lehrschnickschnack eigentlich nur Ausdruck der Gesellschaft. Und die Kinder lernten schnell - für Geld bekam man alles. Warum soll ich großartig Lesen, Rechnen oder Naturwissenschaften lernen, wenn man auch so Kariere machen kann.
Warum sollte ein Jugendlicher noch sein Fahrrad selbst reparieren - es gibt doch den Service. Warum sich selbst ein Essen zubereiten - McPommes ist gegenüber. Warum klug sein, Hauptsache ich sehe gut aus, dann geht die Leiter -egal wie viele Betten dazwischen- nach oben. Warum lernen, Hauptsache Geld haben und gut schwätzen können. Verwöhnt einfach. Die extreme Konsumorientierung der Gesellschaft macht solche Lebensphilosophien ja hoffähig.
Presse und Fernsehen helfen kräftig nach. Wenn diese Zeitung mit den dicken Lettern die meistverkaufte im Lande ist und somit das Niveau der Leute entscheidend beeinflußt, dann gute Nacht Deutschland. Und unsere Werbe-Privatsender - Zielgruppe sind ja besonders junge Menschen - haben es geschafft mit Sendungen wie beispielsweise GZSZ oder VIVA pädagogisch eine Trümmerwüste zu hinterlassen und dabei noch einen kleinen Nebeneffekt erzielt:
In Deutschland sind die so charakteristischen schönen Dialekte verschwunden - man gackert ein steril synthetisches nasal gesprochenes VIVA-Deutsch. Das kaschiert die innere Blödheit am besten und ist für Verkaufsgespräche supergünstig. Die höchste Intelligenzleistung eines Durchschnittsjugendlichen scheint heute in der Pubertät die sichere Bedienung seines Handys (der unmögliche Kuschelname sagt viel!) und bei Volljährigkeit die Erlangung des Führerscheins (natürlich mit folgend eigenem Automobil).
Deutschlands Jugend kann einfach nicht mehr logisch denken, die Analyse- und Verstehensfähigkeit ist unter aller Sau. Wenn wunderts. Nur eine Stunde am Tag wird durchschnittlich für die Schule geopfert, dafür vier für Computerspiele, DVD, Video oder TV. Wem nützt der beste Computer, wenn er doch nur für Spiele verwendet wird. Wissen bekommt man nicht für Geld und nicht hinterhergeworfen, da muß man sich schon selbst kümmern. Schaut Euch doch nur diese Quiz-Sendungen an, oft peinlich.
Da hilft es auch nicht, wenn man im Osten die Benotung von Sekundärtugenden, wie Betragen oder Ordnung, wieder eingeführt hat, im Gegenteil. Bei schlechten schulischen Leistungen müssen heutzutage ja sogar medizinische Aspekte herhalten. Für jede Lernschwäche liegt eine pathologische Ursache parat und die "Krankheits"namen klingen ja dann auch so herzzerreißend wissenschaftlich. Da kann es doch nicht wahr sein, daß mein Kind einfach zu blöd oder zu faul ist. Und ich als Elternteil meistens gleich mit.
Im Ursprungsgebiet dieser Misere, in Westdeutschland wunderte man sich in den Jahren der Wiedervereinigung, daß die vergleichbaren schulischen Nachweise der Brüder und Schwestern aus dem Osten oft besser waren. Man tat dies wie immer überheblich mit der Begründung von Überbenotung und geringeren Leistungsanforderungen ab. Vergaß die eigene Schwäche.
Ein fataler Irrtum, wie sich heute knallhart zeigt. So kritikwürdig das Schulsystem in der Diktatur des Ostens war - Lesen, Schreiben, Verstehen, Naturwissenschaften oder Polytechnik waren bedeutend besser ausgebildet. Heutige Erkenntnisse lassen das logisch erscheinen, setzen doch Bildungsanstrengungen Konsumverzicht voraus - und Konsum gab es nicht in der Sowjetzone.
Der Aufschrei an den Stammtischen war groß, als die Wirtschaft nach Spezialisten aus dem Ausland rief. Heute kann jeder den Grund sehen. Deutschland sollte auch in dieser Beziehung bescheidener und realistischer werden, wir sind leider nicht mehr das Land der Dichter und Denker, der Erfinder und Ingenieure. Zeiten wie lang seit ihr her... . Früher war halt alles besser, auch wenn man sich die schulischen Leistungen in den Siebzigern anschaut.
Der Mann im beschaulichen Oggersheim kann sich nebst seines korrupten Parteivereins freuen. Das Volk kauft, jungdynamische willig-ordentliche Karrieristen sind gefragt, Schwätzer mit viel Schall und Rauch. Egal, ob die Leute ein bissel dumm sind, da mucken sie nicht auf und hinterfragen nichts. Und einen Wißbegierigen welcher sich nicht für Börsenkurse interessiert schauen wir weiter mitleidig an - der kann nicht normal sein.
Glücklicherweise gilt eines immer noch: Lernen muß jeder selbst - und das ist auch gut so!!
Eine besinnliche Adventszeit und strengt das Gehirn nicht so an, ihr fallt nur auf. Euer